Bezirksverband Berlin-Marzahn der Gartenfreunde e. V.

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Verfasst am 01.11.2019 um 08:00 Uhr

Zwischen Bratwurst und Falafel   

So könnte Integration gelingen   

von Dr. Guntram Platter   

Dr. Platter ist Kleingärtner in der KGV Alpental in Mariendorf. Foto: privat

Schon immer waren Kleingärten Orte der Integration und Solidarität. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekamen hier Menschen mit geringem Einkommen das frische Obst und Gemüse, das sie sich anderorts nicht hätten leisten können. Im Zweiten Weltkrieg galt es, die Soldaten mit Nahrungsmitteln aus den Kleingärten zu versorgen und nach dem Kriege dienten die Kleingärten auch als Notunterkünfte in den zerstörten Städten und als „Auffanglager“ für die vielen Flüchtlinge aus Ostpreußen oder Schlesien. Heute hat sich diese Funktion gewandelt. Wir Kleingärtner schätzen die Möglichkeit, ein Stückchen Natur zu bewirtschaften und den Kindern einen stressfreien Lebensraum zum Spielen zu ermöglichen.


Kleingärten heute

Kleingarten im 21. Jahrhundert bedeutet aber auch, Menschen, die aus arbeitsmarktpolitischen Gründen hierher bestellt haben, oder die durch Kriegswirren oder wirtschaftliche Not in unser Land gekommen sind, einzubeziehen und zu integrieren. Und obwohl dies unter Gartenfreunde eine lange Tradition hat, eilt vielen von uns ein gewisser Ruf voraus: Von Spießigkeit, Kontrollwahn und Zwang ist die Rede und davon, dass es in manchen Kleingartenvereinen ausländerfeindlich zuginge.


Kleingartenanlagen - ein Mikrokosmos der Bevölkerung von Berlin

Nun, die Zahlen sprechen da eine ganz andere Sprache: In Deutschland gibt es rund 9 Prozent Menschen mit „Migrationshintergrund“, und so ungefähr ist auch ihr Anteil unter den Kleingärtnern unseres Landes. Ähnlich repräsentativ mag es hinsichtlich anderer Kriterien – politische Orientierung, soziale Zusammensetzung und mehr – zugehen. Das darf durchaus den Schluss zulassen, dass auch die Berliner Kleingärtner einen Mikrokosmos der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt darstellen.


Integrationsbeauftragter im Verein

Und diese Stadt ist bunt! Das wird auch in meinem Verein, der Kolonie Alpental, deutlich. Von Gartenzwergen bis Shishas gibt es bei uns mittlerweile alles zu sehen, was die Gartenfreunde aus aller Herren Länder an Ideen mitbringen. Wie bereichernd das Miteinander verschiedener Kulturen sein kann, hat sich auch bei einem unserer letzten Sommerfeste gezeigt: Die wunderbaren türkischen Fleischspieße, die auf Vorschlag unseres Integrationsbeauftragten (ja, so etwas haben wir, als erster Kleingartenverein Berlins!) angeboten wurden, erwiesen sich als erheblicher kulinarischer Beitrag zur Bereicherung unseres Festes.


Eine wesentliche Aufgabe von Vorständen und Verbänden

Aber es gibt noch sehr viel zu tun in dieser Richtung. Viele Kolonisten tun sich ja schon mit neuen Nachbarn schwer – seien sie Ausländer oder nicht. Integration muss auch das Miteinander von Jung und Alt, Ökologisch und Konservativ im Blick haben. Wenn die Kleingartenkultur in Deutschland eine Zukunft haben will, dann kommt man an der Frage der Integration nicht vorbei. Mehr noch: Meiner Überzeugung nach ist sie die wesentlichste Aufgabe der von uns gewählten Vorstände in den nächsten Jahren und eine der Hauptaufgaben unserer Verbände.


Einen Anfang machen

Wenn wir eine Gartenkultur im 21. Jahrhundert schaffen wollen, die den Begehrlichkeiten von Bauwilligen standhält, dann ist ein tiefgreifendes Umdenken in Haltungsfragen nötig. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, konstruktiv aufeinander zugehen und Ressentiments und Vorurteile beiseitelassen. Auch in der Kolonie Alpental kann von wahrer Integration noch keine rede sein. Aber ein Anfang ist gemacht.


Womit kann man beginnen? Zum Beispiel mit der integrativen Kraft von gemeinsamen Festen. Ob Weihnachten oder Zuckerfest, ob Ostern oder Chanukka: Es gibt genug Gelegenheiten, gemeinsam zu feiern. Dabei kommt man schnell auch auf das Leben zu sprechen und auf das Gärtnern, was uns alle verbindet. Und wo bislang bestenfalls ein Körbchen mit Äpfeln im Tausch gegen ein paar Auberginen über den Gartenzaun gereicht wurde, sitzt man plötzlich bei Bratwurst und Falafel, bei Kartoffelsalat und türkischen Fleischspießen – und freut sich , das die Welt des Kleingartens dank der neuen Nachbarn ein ganzes Stück größer geworden ist.


Dr. Guntram Platter

KGV Alpental



Dieser Beitrag ist in der Verbandszeitschrift 'Berliner Gartenfreund' als Editorial der November-Ausgabe 2019 erschienen und mit freundlicher Genehmigung des Autoren auch hier.