Bezirksverband Berlin-Marzahn der Gartenfreunde e. V.
Verfasst am 15.06.2020 um 07:00 Uhr

30 Jahre und doch schon Falten

Bezirksverband Marzahn kann nicht feiern und sieht trotzdem eine gute Zukunft.

Der 20. Juni 1990 war ein sehr trüber und verregneter Mittwoch. Es war das Wendejahr. Die DM-Einführung am 1. Juli stand vor der Tür. Am Abend dieses Tages machten sich 48 Delegierte aus 20 Kleingartenanlagen auf den Weg zur damaligen Wohngebietsgaststätte Wuhletal an der Tollensestraße/Teterower Ring. Sie wollten den Kreisverband Marzahn des VKSK (Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter) beim Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte ordnungsgemäß anmelden, um seinen Fortbestand in dieser unübersichtlichen Zeit zu sichern. Im VKSK waren seit 1953 die Kleingärtner der DDR zusammengeschlossen.

Umbenennung und Eintrag ins Vereinigungsregister

Nun mussten sich alle bestehenden Vereinigungen bis zum31. August registrieren lassen – so verlangte es das „Gesetz über Vereinigungen“, das am 21. Februar 1990 veröffentlicht worden war. Die damalige Marzahner VKSK-Mannschaft um Fred Ball, Bernd Urban, Rüdiger Hermsdorf, Werner Neumann und Heinz Gedde hatte also alle rechtlichen Regelungen termingerecht eingehalten. Die Delegierten beschlossen zeitgleich mit dem Registrierungseintrag auch eine Umbenennung in „Bezirksverband Berlin-Marzahn der Garten- und Siedlerfreunde“. Damit sollte die Eigenständigkeit fernab eines Zentralverbandes dokumentiert werden. Es war in dieser Zeit ein breiter demokratischer Aufbruch in den östlichen Bezirken.

Wenngleich die Eintragung beim Stadtbezirksgericht nicht mehr bis zum 3. Oktober 1990 erfolgte – dem Tag des Inkrafttretens des Grund-gesetzes im Beitrittsgebiet – sondern erst am 16. September 1992 durch das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, betrachten die Marzahner den 20. Juni 1990 als Geburtstag ihrer heutigen Organisation. Das hat das Kammergericht Berlin erst jüngst bestätigt (Az. 8U 164/18 vom 15.08.2019).

Kleingartengeschichte reicht zurück bis 1900 

In der Siedlergemeinschaft Marzahn 1910 im Jahr 1933

Um 1950 in der KGA Aufbau Friedrichsfelde Ost

Die kleingärtnerische Geschichte am östlichen Stadtrand beginnt jedoch nicht erst mit den 1990er-Jahren, sondern reicht weit länger zurück. Bereits um 1900 entstanden in den Ortsteilen Biesdorf und Marzahn Garten- und Siedlungsgrundstücke, stark von der Familie von Siemens gefördert. Sie hatte selbst einen Sommersitz im Schloss Biesdorf. Diese Entwicklung war Folge eines hohen Tempos der Industrialisierung in Berlin, der Verarmung der Bauern im Umland und der immer größer werdenden Zahl von Mietskasernen in der stetig wachsenden Großstadt. Schon damals war es erstrebenswert, ein Stück „Sommerland“ an den Stadtgrenzen zu bekommen. Um 1910 begannen sich im Bezirk die Siedler und Gärtner zu organisieren. Eine Erkenntnis hat die Kleingärtner am östlichen Stadtrand seitdem immer getrieben: Nur vereint sind wir stark! 

Modernes Leitbild für die Kleingartenbewegung

Gärtnern im Schatten der Plattenbauten  - Kleingartenanlagen wurden bei der Entstehung Marzahns gleich mitgeplant

Die KGA Am Kienberg in den Anfängen 1984

Beim Entstehen der Plattenbausiedlungen am östlichen Stadtrand in den 1970er- bis 90er-Jahren wurden viele Gärten Opfer des Wohnungs-neubaus. Den damals Verantwortlichen war aber sichtbar bewusst, dass mit neuen Wohnungen auch ein erweitertes Angebot an körperlicher Betätigung geschaffen werden muss, und so entstanden in Marzahn und Hellersdorf zeitgleich etliche neue Kleingartenanlagen. Beide Bezirksverbände sind sehr froh darüber, dass alle diese Anlagen alle das Potenzial als Dauerkleingartenanlage besitzen. Vier Medaillen im Bundeswettbewerb „Gärten im Städtebau“ von 2002 bis 2018, darunter zweimal Gold, sind eindrucksvoller Beleg.

Im Kräutergarten der KGA Am Fuchsberg sind Besucher gern willkommen

In der KGA Am Fuchsberg gibt es eine AG Kräuterkinder

Beim Besuch von Umweltministerin Barbara Hendricks auf der IGA 2017 präsentierte sich die KGA Am Kienberg mit einem Startergarten

Eine enge Zusammenarbeit verbindet den Bezirksverband mit der Stiftung Naturschutz Berlin

30+1. Geburtstag 2021 in den Gärten der Welt

Auch wenn die Marzahner im Jahr 2020 ihren 30.Geburtstag begehen, sehen sie auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Die Entwicklung war wechselvoll und hat bei den Verantwortlichen auch die ein oder andere Falte ins Gesicht geschrieben. Aus den langen Erfahrungen schöpfend, wird der Bezirksverband auch künftig innovativ an einem modernen Leitbild fürdie Kleingartenbewegung mitarbeiten. Vor diesem Hintergrund sind die Marzahner zuversichtlich, dass der 110-jährigen Kleingartentradition in ihrem Stadtbezirk mindestens noch einmal die gleiche Zeit für die Zukunft beschieden bleibt.

In Zeiten von Kontakteinschränkungen zeigt sich die gesundheitsfördernde Funktion von privat nutzbarem Grün in einer Millionenstadt in besonderem Maße. Der Verband wird alles in seinen Kräften Stehende tun, um eine ausgewogene Stadtentwicklung eben auch unter Berücksichtigung der Kleingärtnerei einzufordern und unterstützen.

Traurig sind wir allerdings darüber, dass die für den 20. Juni geplante Geburtstagsfeier aufgrund der Regelungen zu größeren Veranstaltungen abgesagt werden musste. Umso mehr freuen wir uns darauf, den ungewöhnlichen 30+1. Geburtstag am 19. Juni nächsten Jahres in den „Gärten der Welt“ feiern zu können. Wir sind der Grün Berlin GmbH und der Musikschule Marzahn-Hellersdorf sehr dankbar, dass sie der Terminverlegung schon heute zugesagt haben.

Gert Schoppa -  Autor:  von 2002 bis 2017 1. Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin-Marzahnder Gartenfreunde, saß 1989 und 1990 am zentralen Runden Tisch der DDR und war Mitglied der Arbeitsgruppen „Parteien- und Vereinigungsgesetz“ sowie „Verfassungsentwurf der DDR“.

  • Seit 120 Jahren: Kleingärten in Marzahn
  • Um 1900 entstehen bei den Dörfern Marzahn und Biesdorf „Sommergärten“ für Berliner Bürger, umgangssprachlich das Werder des Ostens
  • 1910: die ersten Siedler organisieren sich, zum Beispiel durch Zusammenschluss in „Pflasterkassen“
  • 1914 bis 1918: sogenannte Kriegsgemüsegärten entstehen in Friedrichsfelde, Lichtenberg, Karlshorst und Weißensee. Initiator ist das Deutsche Rote Kreuz. 
  • 1920 werden Marzahn und Biesdorf in den 17. Stadtbezirk Lichtenberg eingegliedert, die älteste Marzahner Kleingartenanlage „Wuhlgarten“ entsteht. Die 18 Parzellen stehen heute unter Denkmalschutz.
  • Am 5. Januar 1979 bildet sich der VKSK-Kreisverband Berlin Marzahn als Ausgründung des Kreisverbandes Berlin Lichtenberg. 1986 erfolgt die Ausgründung des VKSK Kreisverbandes Hellersdorf aus dem Kreisverband Marzahn.
  • 1991 tritt der im Jahr zuvor gegründete Bezirksverband Berlin Marzahn der Garten- und Siedlerfreunde dem Landesverband Berlin der Gartenfreunde bei. 1999 erfolgt die Umbenennung in Bezirksverband Berlin Marzahn der Gartenfreunde e.V., da nur noch sehr wenig Siedler existieren
  • 2002: Die erste Goldmedaille im Bundeswettbewerb „Gärten im Städtebau“ geht an den Kleingartenverein „Am Kienberg“
  • 2019 schließt der Bezirksverband eine Kooperationsvereinbarung mit der Stiftung Naturschutz Berlin.